Das Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen. Das Herz schlägt dabei unregelmäßig und vor allem die Koordination zwischen Vorhöfen und Herzkammern schlägt fehl. Da Vorhofflimmern in Form hochdynamischer Episoden auftritt, die häufig lange symptomlos bleiben oder mit unspezifischen Symptomen einhergehen, wird es oft erst sehr spät diagnostiziert. Vorhofflimmern kann das Risiko für Schlaganfälle erhöhen, daher ist die Früherkennung besonders wichtig. Ein internationales Forscher*innenteam mit Beteiligung der Med Uni Graz hat nun ein Computermodell erstellt, mit dem Screening- und Früherkennungsmethoden für Vorhofflimmern erforscht wurden. Die Ergebnisse und Erkenntnisse wurden nun im Journal Med veröffentlicht.
Vorhofflimmern am Computer simuliert
Das Modell ist das erste seiner Art, das die Entwicklung und Progression von Vorhofflimmern auf Patient*innen- und Bevölkerungsebene über die gesamte Lebenszeit simulieren kann. Es integriert wichtige pathophysiologische Mechanismen wie Vorhofflimmern-induziertes Remodeling und ermöglicht auf diese Weise eine realistische Abbildung der Erkrankung. Im Gegensatz zu bisherigen Modellen, die entweder nur kurzfristige Simulationen erlaubten oder die Krankheitsmechanismen von Vorhofflimmern unberücksichtigt ließen, bietet dieses Modell eine umfassende Grundlage für die Analyse von Screening-Strategien und Behandlungsansätzen.
Die Vorteile des Modells liegen in der präzisen Kontrolle aller Parameter, der Möglichkeit, jede einzelne Vorhofflimmerepisode und jedes klinische Ergebnis zusammen mit dynamischen Veränderungen der Patient*innenmerkmale und Risiken nachzuverfolgen, und in der umfassenden Bewertung verschiedener Behandlungsoptionen.
Grundlage für Screening-Strategien
Dieses Modell erlaubt es den Wissenschafter*innen, virtuelle klinische Studien durchzuführen, die nicht nur die Effektivität von Screening-Strategien bewerten, sondern auch deren Einfluss auf klinische Ergebnisse und die Gesundheitsversorgung untersuchen.
Dieses neue Werkzeug bietet somit eine vielversprechende Grundlage, um effektive Screening-Strategien zu identifizieren, den Nutzen verschiedener Therapien, zum Beispiel Antikoagulationstherapien zur Verringerung des Schlaganfallrisikos, besser zu verstehen und die Versorgung von Patient*innen mit Vorhofflimmern zu verbessern. Es stellt einen wichtigen Schritt in Richtung einer optimierten Diagnostik und Behandlung von Vorhofflimmern dar.
Der Erfolg des Patient*innenmodells
Das Patient*innenmodell hat erfolgreich die gesamte Lebenszeit einer virtuellen Kohorte von 10.000 Individuen (50 % weiblich) simuliert. Über einen Beobachtungszeitraum von 100 Jahren wurden verschiedene Muster von Vorhofflimmern sowie klinische Ereignisse wie Schlaganfälle und Todesfälle abgebildet. Die Ergebnisse zeigen eine realistische Nachbildung der Entwicklung von Vorhofflimmern und seiner Auswirkungen auf die Gesundheit.
Das Modell erfasste alle Episoden von Vorhofflimmern mit einer Auflösung von 30 Minuten und konnte in einer Teilgruppe der virtuellen Patient*innen die erwartete dynamische Progression vom paroxysmalem Vorhofflimmern zu persistierendem Vorhofflimmern nachweisen. Diese detaillierte Simulation bietet wertvolle Einblicke in die langfristige Entwicklung von Vorhofflimmern und ermöglicht eine präzisere Analyse von Krankheitsverläufen und Behandlungsergebnissen.
Steckbrief: Jordi Heijman
Jordi Heijman ist seit 2024 Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Physik und Biophysik und seit 2025 Leiter des Gottfried Schatz Forschungszentrums der Medizinischen Universität Graz. Er nutzt experimentelle und computergestützte Ansätze, um die Mechanismen von Herzrhythmusstörungen zu erforschen. Sein besonderes Interesse gilt den dynamischen Veränderungen im Herz, die dem Entstehen und Fortschreiten solcher Rhythmusstörungen zugrunde liegen. Er war der Hauptverantwortliche für den in dieser Publikation beschriebenen Forschungsansatz, der gemeinsam mit seinen ehemaligen Kolleg*innen und Teammitgliedern in den Niederlanden – insbesondere an der Maastricht University, wo er vor seiner Berufung an die Medizinische Universität Graz tätig war – entwickelt wurde.