Interview Ines Fößl/Foto: BrAt82/AdobeStock.com

Alle Wege führen zum PhD und zum Doktorat

Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Wissenschaftskommunikation“ des Erweiterungsstudiums Medizinische Forschung wurde Ines Fößl, PostDoc an der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Med Uni Graz, von Thiemo Greistorfer, einem Studierenden des Erweiterungsstudiums, interviewt. Passend zur Idee dieses Erweiterungsstudiums soll das Interview dazu dienen, einige grundlegende Fragen rund um die PhD- und Doktoratsstudien an der Med Uni Graz zu beantworten.
 

Wie kann ich herausfinden, ob ein PhD- oder Doktoratsstudium das richtige für mich ist? Oder: Worüber sollte man sich im Klaren sein, bevor man sich dazu entschließt, ein PhD- oder Doktoratsstudium zu beginnen?
Im Grunde ist meiner Meinung nach jede und jeder, der oder die seinen Studienabschluss erreicht hat, auch dazu in der Lage, ein Doktoratsstudium zu absolvieren. Natürlich hat aber nicht jede bzw. jeder das Zeug zur Spitzenforschung. In jedem Fall sollte man einen forschenden Geist haben, also Interesse daran, die Welt zu hinterfragen und Neues zu entdecken. Für mich ist Forschen etwas, das ich grundsätzlich gerne mache. Das hilft ungemein, wenn man mal abends länger an etwas sitzt, um eine Deadline einzuhalten. Außerdem verlangt ein Doktoratsstudium eine gewisse Stamina und Resilienz. Beinahe alle meiner Doktoratskolleg*innen kamen im Laufe ihres Projektes an den Punkt, wo sie nahe der Verzweiflung am liebsten alles hinschmeißen wollten. Diese Phase gilt es durchzustehen. Vor allem bei Forschungsthemen, die mit Tierversuchen oder Zellkultur verbunden sind, ist es auch wichtig, die Bereitschaft zum Arbeiten außerhalb der regulären Zeiten mitzubringen. Eine gewisse Reisebereitschaft ist auch von Vorteil. Natürlich kann man individuell dosieren, aber Kongressreisen und Forschungs-Gastaufenthalte sind Teil des Lebens als Forscher*in.
 

Wie unterscheiden sich PhD (Philosophiae Doctor)- und Dr.Scient.Med. (Doctor scientiae medicae) -Studien an der Med Uni Graz grundsätzlich voneinander?
Im Allgemeinen handelt es sich beim PhD-Studium um ein zumindest dreijähriges Vollzeitstudium, wobei Grundlagenforschung häufig den Schwerpunkt darstellt. Die PhD-Themen werden als Stellen ausgeschrieben und die PhD-Studierenden bekommen einen Arbeitsvertrag über 30 Wochenstunden. Das ebenfalls mindestens dreijährige Doktoratsstudium Medizinische Wissenschaft (Abschluss als Dr. Scient. Med.) kann auch berufsbegleitend absolviert werden, also in erster Linie während der Facharztausbildung als Assistenzärztinnen oder Assistenzarzt. Eine sehr einprägsame Beschreibung, um die beiden Studien auseinanderzuhalten, ist folgende: „A PhD is science as profession, while a Dr.Scient.Med. is science in profession.“
 

Wie komme ich zu einem passenden Thema für meine Doktorarbeit?
Das ist ziemlich unterschiedlich für PhD- und Dr.-scient.-med.-Studien. PhD Themen werden regemäßig als Stellen ausgeschrieben. Die Themen kommen dabei von der Betreuerin bzw. von dem Betreuer. Am besten schaut man bei den offenen Stellen auf der Med Uni Graz-Webseite. Für gewöhnlich starten die PhD Programme regulär mit dem Studienjahr, also im Oktober oder März, manchmal auch im Semester. Individuelle Lösungen können aber i.d.R. mit der Betreuerin und dem Betreuer gefunden werden, sofern die Zulassung innerhalb der Zulassungsfristen stattfindet. Bei dem Doktoratsstudium „Medizinische Wissenschaft“ (Dr.Scient.Med.) funktioniert das meist anders. Als berufsbegleitendes Studium konzipiert, sind die Projekte nicht mit einer Stelle verbunden. In der Regel haben Studierende eine Anstellung an der Med Uni Graz, die nicht direkt mit der Forschungstätigkeit im Rahmen der Dissertation verbunden ist. Meist als ärztliches Personal in der Abteilung, wo auch der Dr.Scient.Med. absolviert wird. Die Projekte werden oft mit dem Betreuer oder der Betreuerin gemeinsam entwickelt. Als Orientierung, welche Personen als Betreuer*innen fungieren, kann MUGthesis, oder die Homepage des Doktoratsstudiums der Medizinischen Wissenschaft herangezogen werden.


Wo informiere ich mich am besten über die Forschungsfelder verschiedener Forschungsgruppen?

Die Listenansicht im Forschungsportal der Med Uni Graz unter „Institutionen“ finde ich die übersichtlichste und vollständigste Darstellung. Dort kann man dann abteilungsgebunden nach Personen oder Projekten spezifisch suchen.


Forschung……Familie…………Freizeit? Gibt es Tipps, das alles miteinander in Einklang zu bringen?
Flexibilität ist für mich das A und O, um das alles zu vereinbaren. Und zwar nicht nur die eigene, sondern auch die von Partner*in, Familienmitgliedern usw. Ich hatte bisher immer das Glück, auch Vorgesetzte zu haben, die ebenso flexibel sind wie ich. Für mich gilt, dass Phasen, in denen ich viel arbeite und weniger soziale Kontakte pflege, auch immer mit solchen Phasen abwechseln müssen, in denen man wieder „aufholen“ kann. In meiner Partnerschaft setzen wir auf Arbeitsteilung und halten uns gegenseitig den Rücken frei soweit es geht. Kommunikation und das Artikulieren von Bedürfnissen sind meiner Meinung nach extrem wichtig in jeglichen Beziehungen, gerade wenn man einen Beruf hat, in dem man viel arbeitet und auch häufig reist. Die Königsdisziplin ist es in jedem Fall, Forschung, Arbeit und Kinder unter einen Hut zu bekommen. Davon kann ich (noch) nicht aus erster Hand sprechen. Es scheint aber auch das zu funktionieren, wie Kolleg*innen mit Kindern beweisen. Eine dafür essentielle Fähigkeit wird jedenfalls auch im Doktoratsstudium geübt, nämlich Planungskompetenz.


Welche Möglichkeiten eröffnet mir ein abgeschlossenes Doktoratsstudium? Was kann darauf folgen?
Hier gilt, wie für viele Ausbildungen: Alles und Nichts. Natürlich kann man den klassischen akademischen Weg verfolgen und eine Habilitation und danach Professur anstreben. Prinzipiell spezialisieren wir uns fachlich während des Doktorates ja auf ein oft sehr spezifisches Teilgebiet, in dem wir im Laufe des Projektes immer mehr Expertise entwickeln. Da dieses Gebiet oft sehr eng und schmal ist, kann es nötig sein, für ein Fortschreiten der Karriere den Arbeitsort zu wechseln. Dies sollte einem bewusst sein. Es gibt neben der universitären Forschung auch eine Vielzahl von (universitätsnahen) Forschungseinrichtungen, die in der Regel industrienäher aufgestellt sind, aber die Nähe zur Klinik suchen. Trotz eines fachlich oft engen Wissensspektrums vermittelt ein Doktorat viele andere Fähigkeiten. Man lernt, sich proaktiv mit teils wenig Anleitung neue Fähigkeiten anzueignen. Doktorand*innen bekommen meist einen Crash-Kurs in Projektmanagement; man ist in der Regel in sämtliche Schritte (Initiierung, Planung, Steuerung, Kontrolle und Abschluss) seines Doktoratsprojektes involviert. Viele Firmen suchen diese wichtigen Fähigkeiten für Managementaufgaben auch außerhalb der Fachbranche.


Wie kann mich das Erweiterungsstudium Medizinische Forschung auf ein Doktorat vorbereiten?

Die noch vergleichsweise jungen Erweiterungsstudien der Med Uni Graz ermöglichen es Studierenden bereits während des Diplom- oder Masterstudiengangs (Human- oder Zahnmedizin) Einblicke in und Zusatzkompetenzen für das jeweilige Programm zu erwerben (derzeit drei Erweiterungsstudien: Medizinische Forschung, Allgemeinmedizin [nur Humanmedizin] und Digitalisierung in der Medizin). So bietet das ES Medizinische Forschung die Möglichkeit, bereits vorab Curriculumsrelevante Lehrveranstaltungen (u.a. „Wissenschaftliche Grundlagen und Fertigkeiten“, „Dissertationsseminare“ und „Literaturclubs und Gastvorträge“) während des Studiums zu besuchen und abzuschließen. Diese können dann für ein etwaiges Doktoratsstudium angerechnet werden, was die Arbeitslast während des eigentlichen Doktorates mindern kann. Somit kann man sich meiner Ansicht nach bereits besser vorstellen, wie ein Doktorat ablaufen könnte und auf Grundlage dessen entscheiden, ob es nach Abschluss des Studiums eine Option für mich darstellt. Ich persönlich würde empfehlen, das ES erst zu beginnen (grundsätzlich nach Abschluss der Pflichtmodule der ersten drei Studienjahre möglich), wenn man bereits ein ernstes Interesse an Forschung entwickelt hat und bestimmte Gebiete genauer kennenlernen möchte, da man aus einer Vielzahl unterschiedlicher Doktoratsprogramme und Schwerpunkte Lehrveranstaltungen auswählen kann. Wie so oft hat das Vor- und Nachteile, weil man einerseits aus einem großen Angebot (v.a. in Bezug auf Dissertationsseminare und Literaturclubs) die spannendsten Themen aussuchen kann, diese aber natürlich Doktorats-Niveau haben, also teilweise sehr spezifisch sind. Daher kommt es vor, dass man nicht so viel mitnehmen kann, es sei denn, man ist bereits besser damit vertraut oder kann es im Rahmen seiner Forschung gleich anwenden; das war zumindest meine Erfahrung. Insgesamt bietet das ES Medizinische Forschung aber die Chance, viele Facetten der Forschungsarbeit und der Doktoratsprogramme kennenzulernen und damit schon früh eine Basis für ein solches Studium in Graz zu schaffen.


Steckbrief: Ines Fößl

Ines Fößl ist derzeit als Post-Doc sowohl an der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie als auch bei Joanneum Research COREMED tätig und hat nach ihrem Masterstudium der molekularen Mikrobiologie an der Karl-Franzens-Universität Graz das PhD-Studium an der Med Uni Graz angeschlossen. Während dieser Zeit absolvierte sie zudem Fellowships und Auslandsaufenthalte in Berlin und Rotterdam und war bereits als Managerin im Bereich der Wissenschaftskommunikation bei AMGEN eingebunden. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Endokrinologie u.a. auf den Gebieten Knochenmetabolismus, altersbedingte Stoffwechselveränderungen, Imaging, sowie Biomarker. Seit neuestem setzt sie sich am Joanneum Research vermehrt mit Regenerationsvorgängen der Haut, beispielsweise nach Verbrennungen auseinander und beginnt damit auch ein neues Kapitel in ihrer Karriere als Forscherin.