Lunge - Credit: AdobeStock/Crystal light

Maschinelles Lernen hilft bei der Identifizierung von COPD

Rund fünf Prozent der Österreicher*innen sind von der Volkskrankheit COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) betroffen. Das häufigste Symptom von COPD ist Kurzatmigkeit, welche die Lebensqualität vieler Betroffener stark beeinträchtigt. Mit dem Fortschreiten von COPD verschlechtert sich die Sauerstoffversorgung immer weiter, sodass schon kleine Anstrengungen zu nicht bewältigbaren Aufgaben werden können. An der Med Uni Graz wird im Lung Research Cluster die Rolle des Immunsystems bei der Entstehung und dem Fortschreiten chronischer Lungenerkrankungen erforscht. Die jüngsten Ergebnisse einer tiefgehenden Analyse molekularer und klinischer Parameter wurden kürzlich im Journal iScience publiziert und zeigen, welche Veränderungen in der Lunge bei COPD auftreten. Die Forscher*innen konnten sogar einen neuen Subtyp der Erkrankung identifizieren.


Was ist COPD?

COPD ist weltweit die vierthäufigste Todesursache. Sie zeichnet sich durch chronische Entzündungen und irreversible Lungenschäden aus. Die Krankheit kann auf unterschiedliche Weise in Erscheinung treten, wie zum Beispiel in Form von Veränderungen der Atemwege und Emphysemen, also Luftansammlungen in der Lunge. Aufgrund dieser Unterschiede, des variablen Verlaufs und des Fehlens einer heilenden Therapie erweist sich die Behandlung von COPD als schwierig. In fortgeschrittenen Fällen bleibt die Lungentransplantation die einzige Option.

Das Immunsystem spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung von COPD, da es strukturelle Veränderungen und das Fortschreiten der Krankheit fördert. Die Komplexität der Immunzellinteraktionen und die Vielfalt der immunologischen Veränderungen im Rahmen dieser Krankheit erschweren es jedoch, aus dieser Erkenntnis klinisch relevante Schlussfolgerungen für einzelne Patient*innen zu ziehen.

„Die meisten bisherigen Forschungsarbeiten, die sich mit der Beteiligung des Immunsystems befassten, konzentrierten sich auf bestimmte Immunzellpopulationen. Ein aussagekräftiger Vergleich mit gesundem Lungengewebe war nicht möglich, da dieses als Vergleichsmaterial nicht ausreichend verfügbar war. Die Erforschung der lokalen Immunzellstörung in den Lungen von Patient*innen mit COPD hat daher hohe Priorität“, erklärt Forscher Leigh Marsh.


Immunzellen im Mittelpunkt der COPD-Subtypen

In der Studie wurden die immunologischen Veränderungen bei COPD untersucht und insbesondere die Rolle des Immunsystems bei der Entstehung und im Fortschreiten der Krankheit hervorgehoben.

„Die Ergebnisse zeigen eine ausgeprägte lymphozytäre Entzündung in den Lungen von COPD-Patient*innen, begleitet von erhöhten Spiegeln wichtiger Immunsignalmoleküle sowohl in der Lunge als auch im Blutkreislauf. Dieses auffallend gestörte Immunmilieu deutet darauf hin, dass Immunzellen kontinuierlich in die Lunge rekrutiert und dort festgehalten werden. Eine derart anhaltende Entzündungsreaktion könnte erklären, warum die Erkrankung so beständig und nur schwer zu behandeln ist“, beschreibt Leigh Marsh die Forschungsergebnisse.

Mithilfe von maschinellem Lernen wurde sogar ein eigener neuer Subtyp der COPD identifiziert: die sogenannte Emphysema Inflammatory Subgroup (EIS), die sich durch ein anderes Immunprofil und eine ausgeprägtere Form des Lungenemphysems von anderen COPD-Subtypen unterscheidet.


Was bedeuten diese Unterschiede?

Die Studie zeigt allgemein die Bedeutung von immunologischen Veränderungen in der Lunge für die Entstehung von COPD. Die Identifikation dieses neuen Subtyps könnte in Zukunft dabei helfen, neue Therapieansätze zu entwickeln oder genauere Vorhersagen über das weitere Fortschreiten von COPD bei dieser Patient*innengruppe zu treffen.


Steckbrief: Leigh Marsh

Leigh Marsh hat sich 2020 an der Med Uni Graz habilitiert und leitet eine Forschungsgruppe am Otto Loewi Forschungszentrum und innerhalb des neu gegründeten Lung Research Cluster. Seine Forschung verbindet Grundlagenforschung mit klinischer Forschung, um die Wechselwirkungen und gegenseitigen Abhängigkeiten von Immunzellen zu untersuchen und deren Beitrag zur Pathogenese chronischer Lungenerkrankungen zu bestimmen.

Weitere Informationen und Kontakt

Priv.-Doz. Ass.-Prof. Dr.
Leigh Marsh 
Otto Loewi Forschungszentrum für Gefäßbiologie, Immunologie und Entzündung
Medizinische Universität Graz
T: +43 316 385 72911