Eine internationale Studie unter der Leitung der Cleveland Clinic mit starker Beteiligung der Med Uni Graz liefert neue Erkenntnisse zur Behandlung der nicht-obstruktiven hypertrophen Kardiomyopathie (HCM). Die Ergebnisse, kürzlich veröffentlicht im renommierten New England Journal of Medicine, zeigen, wie das Herzmedikament Mavacamten bei dieser komplexen Erkrankung wirkt und wo seine Grenzen liegen.
Eine komplexe Erkrankung mit hoher Belastung
Die hypertrophe Kardiomyopathie ist eine genetisch bedingte Verdickung des Herzmuskels, von der bis zu einer von 200 Menschen betroffen ist. Bei der nicht-obstruktiven Form, bei der keine Verengung des Ausflussbereichs im Herz besteht, gibt es bislang kaum Behandlungsmöglichkeiten. „Betroffene leiden häufig unter Atemnot, Brustschmerzen oder Herzrhythmusstörungen und haben oft ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Herzschwäche oder für plötzlichen Herztod“, erklärt Kardiologe Nicolas Verheyen von der Med Uni Graz.
Da die bisherigen Optionen begrenzt sind, werden neue Therapien gesucht, die Beschwerden lindern, die Lebensqualität verbessern und direkt an den Ursachen der Erkrankung ansetzen.
Mavacamten im Praxistest: internationale Phase-3-Studie
Mavacamten gehört zu den sogenannten Myosin-Inhibitoren, die direkt auf für Verdickung und übermäßige Kontraktion der Herzmuskelzellen verantwortliche Eiweißstoffe im Herzmuskel wirken. Bei der obstruktiven Form der HCM ist Mavacamten ein äußerst effektives Medikament. Um Wirksamkeit und Sicherheit nun auch bei der nicht-obstruktiven HCM zu prüfen, wurde die internationale ODYSSEY-HCM-Phase-3-Studie durchgeführt. Phase-3-Studien prüfen Medikamente an Hunderten Patient*innen, um Wirkung und Verträglichkeit zu bewerten.
In der ODYSSEY-HCM-Studie wurden 580 Patient*innen aus 22 Ländern untersucht, sie ist damit die bisher weltweit größte Studie zur HCM. Ziel war es zu prüfen, ob Mavacamten die körperliche Leistungsfähigkeit steigert und die Lebensqualität verbessert. Im Vergleich zu Placebo zeigte das Medikament keine signifikanten Verbesserungen. Bei einigen Teilnehmenden trat vorübergehend eine Abschwächung der Herzpumpfunktion (LVEF < 50 %) auf, die sorgfältig überwacht wurde.
„Die Studie liefert dennoch wichtige Erkenntnisse für die Forschung“, fasst Nicolas Verheyen zusammen. „Sie zeigt, dass ein möglicher klinischer Nutzen der Myosin-Inhibitoren bei der nicht-obstruktiven HCM, wenn überhaupt, nur bei selektierten Patient*innen vorliegt. Dieses Wissen hilft uns, die Erkrankung besser zu verstehen und zukünftige Therapien, die direkt am Herzmuskel wirken, noch gezielter zu entwickeln.“
Bedeutender Beitrag der Med Uni Graz
Die Med Uni Graz war koordinierendes Zentrum in Österreich und zählte zu den weltweit führenden Zentren in der Patient*innenrekrutierung. Der erste europäische Studieneinschluss erfolgte in Österreich (Krankenhaus Braunau) und die Grazer HCM-Arbeitsgruppe schloss zehn Patient*innen ein – eine Spitzenleistung im internationalen Vergleich.
„Das Engagement und die Leistung unseres HCM-Studienteams waren ein entscheidender Grund für die Beteiligung an der Hauptpublikation“, betont Nicolas Verheyen. Andreas Zirlik, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie, hebt hervor: „Die Beteiligung an dieser Studie zeigt einmal mehr, dass die Med Uni Graz in der internationalen Herz-Kreislauf-Forschung eine sichtbare Rolle einnimmt.“
Ausblick: Forschung mit Perspektive
Auch wenn Mavacamten keine deutlichen Vorteile bei nicht-obstruktiver HCM zeigte, liefert die Studie wertvolle Hinweise für die Weiterentwicklung der Behandlung:
- Hoher medizinischer Bedarf: Patient*innen benötigen dringend wirksame, spezifische Therapieoptionen.
- Komplexität der Erkrankung: Die Pathophysiologie ist vielschichtig und muss weiter erforscht werden.
- Internationale Kooperation: Nur durch weltweite Zusammenarbeit lassen sich seltene Erkrankungen umfassend untersuchen und neue Therapien entwickeln.
Die ODYSSEY-HCM-Studie liefert somit eine wichtige Grundlage für künftige klinische Untersuchungen. Die Med Uni Graz wird ihre Rolle in der Erforschung der hypertrophen Kardiomyopathie weiter ausbauen. „Wir wollen unsere internationalen Kooperationen ausbauen und weiter einen Beitrag zur Entwicklung neuer Therapieansätze leisten, um wirksame Behandlungen für Patient*innen mit genetisch bedingten Herzmuskelerkrankungen zu ermöglichen“, blickt Nicolas Verheyen in die Zukunft.
Steckbrief: Nicolas Verheyen
Nicolas Verheyen ist Kardiologe an der Medizinischen Universität Graz und koordinierender Leiter der ODYSSEY-HCM-Studie in Österreich. Er forscht mit seinem Team schwerpunktmäßig zu hypertropher Kardiomyopathie und genetisch bedingten Herzmuskelerkrankungen. Nicolas Verheyen und sein HCM-Studienteam waren maßgeblich an der Patient*innenrekrutierung beteiligt, er ist Koautor der Publikation im New England Journal of Medicine.