Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet den Klimawandel als die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Umwelt verschärfen sich zunehmend und bringen zahlreiche Gesundheitsrisiken mit sich. Studien zeigen, dass der Klimawandel mit einer Vielzahl von Erkrankungen in Verbindung steht, darunter Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen sowie verschiedenen Krebserkrankungen. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit sind erheblich, und der Gesundheitssektor spielt eine entscheidende Rolle bei deren Bewältigung.
Gleichzeitig trägt er jedoch selbst erheblich zum Klimawandel bei: Rund 4,6 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen entfallen auf diesen Bereich. Dies unterstreicht die Dringlichkeit, Strategien zur Reduzierung der Emissionen im Gesundheitssektor zu entwickeln. Hanna Zurl, Forscherin und Assistenzärztin an der Universitätsklinik für Urologie der Med Uni Graz hat gemeinsam mit dem Forschungsteam von Alexander Cole an der Harvard Medical School die Emissionen des Gesundheitssektors durch Patiententransporte untersucht.
Mobilität im Gesundheitssektor
Die von Hanna Zurl und ihrem Team verwendeten Daten stammen vom „National Household Travel Survey (NHTS) 2022“. Der NHTS 2022 ist eine repräsentative Erhebung zum täglichen Reiseverhalten in den USA und wurde zwischen Jänner 2022 und Jänner 2023 durchgeführt. Erfasst wurden alle Transportwege von Haushaltsmitgliedern ab fünf Jahren innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums. Die Teilnehmer*innen wurden zufällig aus einer Adressdatenbank der US-Post ausgewählt und konnten die Umfrage online oder über den Postweg beantworten. Die Umfrage erfasste Transportmittel, Fahrzeugtyp, Kraftstoffart sowie demografische und sozioökonomische Merkmale der Teilnehmer*innen. Reisen aus medizinischen Gründen wurden als eigene Kategorie ausgewiesen. Basierend auf diesen Daten wurden die Emissionen (in CO₂-Äquivalenten ,CO₂e) pro zurückgelegter Strecke berechnet. Die Umrechnung der zurückgelegten Meilen in CO₂-Äquivalente erfolgte unter Verwendung spezifischer Umrechnungsfaktoren für Fahrzeugtyp, Kraftstoffart und Transportmittel. Der NHTS 2022 umfasste 7.893 Haushalte und 16.997 Teilnehmer*innen, die insgesamt 31.074 Reisen dokumentierten. Hochgerechnet repräsentiert dies 305,6 Millionen Personen und 231,7 Milliarden Reisen in den USA im Jahr 2022.
Ergebnisse der Studie und Folgen
2,2 Prozent aller Reisen waren gesundheitsbezogen, was hochgerechnet etwa 3,5 Milliarden jährlichen Reisen entspricht. Die geschätzte Gesamtstrecke für gesundheitsbezogene Reisen betrug 84 Milliarden Meilen (135 Milliarden km), die zu geschätzten jährlichen CO₂-Emissionen von 35,7 Megatonnen führten. Pro Person wurden durchschnittlich 275 Meilen (443 km) für gesundheitsbezogene Reisen zurückgelegt. Das entspricht 116,7 kg CO₂ pro Person pro Jahr. 43,5 Prozent der Reisen wurden mit einem PKW, 33,0 Prozent mit einem SUV oder Crossover und 8,0 Prozent mit einem Pickup-Truck durchgeführt. Öffentliche Verkehrsmittel machten nur 6,0 Prozent der Reisen aus und wurden fast ausschließlich von städtischen Bewohner*innen genutzt (99,5 Prozent der Busreisen).
Die Studie präsentiert erstmals umfassende Daten zu den durch Patient*innentransporte verursachten Emissionen im US-amerikanischen Gesundheitswesen. Diese Erkenntnisse sind wegweisend, um gezielte Maßnahmen zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks des Gesundheitssektors zu entwickeln. Der verstärkte Einsatz umweltfreundlicher Alternativen wie der Ausbau von Telemedizin oder der Umstieg auf Elektrofahrzeuge könnte ein wichtiger Schritt sein, um Emissionen nachhaltig zu senken. Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, wie wesentlich der Patient*innentransport im Gesundheitswesen zu den Treibhausgasemissionen beiträgt – ein Thema, das auch in Österreich hohe Relevanz hat. Denn die Mobilität, insbesondere der motorisierte Individualverkehr, trägt auch in österreichischen Haushalten erheblich zur CO₂-Bilanz bei: Eine Studie zu Treibhausgasemissionen in Österreich zeigte, dass rund 17 Prozent der gesamten Haushaltsemissionen auf Mobilität zurückzuführen sind.
Steckbrief: Hanna Zurl
Hanna Zurl ist seit Ende 2020 Assistenzärztin an der Universitätsklinik für Urologie der Med Uni Graz und Doktoratsstudentin an der Doctoral School Sustainable Health Research. Seit Jänner 2024 absolviert sie ein Research Fellowship in der Forschungsgruppe von Prof. Alexander Putnam Cole an der Harvard University in Boston. Ihre Forschung befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und dem Gesundheitssektor, mit besonderem Fokus auf die Urologie. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf Racial Disparities in Prostate Cancer Care: Dabei untersucht sie Ungleichheiten im Zugang zur urologischen Versorgung sowie Unterschiede in den Behandlungsergebnissen bei benachteiligten Bevölkerungsgruppen.