Krebszellen - peterscheiber.media/AdobeStock

Rückenmarkstumoren von Kindern und Jugendlichen erforscht

Tumoren des zentralen Nervensystems sind die häufigsten soliden Tumoren im Kindes- und Jugendalter und werden anhand ihres Malignitätsgrades („Bösartigkeitsgrades“) in niedriggradige und hochgradig maligne Tumoren unterteilt. Sie treten meist im Gehirn auf, können jedoch auch das Rückenmark betreffen. Forscher*innen der Med Uni Graz haben sich, in einer in der renommierten Fachzeitschrift Neuro-Oncology publizierten Studie, einem ganz bestimmten Tumor gewidmet: Dem niedriggradigen Gliom des Rückenmarks. Die umfassende Charakterisierung dieser Krebsart liefert wesentliche Erkenntnisse für die optimale Planung zukünftiger Therapiestudien.


Wenn das Nervensystem wuchert

Unter einem Gliom versteht man eine Reihe von Krebsarten, die aus den sogenannten Gliazellen entstehen können. Diese Gliazellen erfüllen wichtige Rollen beim Stützen des Gewebes, der Isolation der Nervenzellen sowie beim Nährstoff- und Flüssigkeitstransport. Sie können allerdings auch einige – zum Teil auch bösartige – Veränderungen durchmachen. Forscher*innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz haben sich im Rahmen des HIT-Netzwerks (HIT =Hirntumor) der Gesellschaft für Pädiatrische Hämato-Onkologie den Verlauf von so genannten niedriggradigen Gliomen bei 128 Kindern und Jugendlichen angesehen, um einen besseren Einblick in den Verlauf und die Behandlung der Erkrankung zu gewinnen.

Das niedriggradige Gliom (low-grade glioma, LGG) ist, wie der Name bereits andeutet, geringgradig bösartig und wächst vergleichsweise langsam. Diese Tumorart tritt meist im Gehirn auf, kann aber auch das Rückenmark betreffen. Obwohl die Gesamtüberlebensrate bei jungen Patient*innen bei knapp 100 % liegt, sind niedriggradige Gliome in den meisten Fällen eine „chronische“ Krankheit. Die Betroffenen erleiden oft Rückfälle, weshalb es für die Lebensqualität der Patient*innen umso wichtiger ist, dass die bestmöglichen Therapiemethoden erkannt und erforscht werden.


Ein genauer Blick auf die Patient*innen

Die Studie, bei der Wissenschafter*innen der Med Uni Graz federführend beteiligt waren, betrachtete die Krankheitsgeschichte von 128 Kindern und Jugendlichen mit LGG des Rückenmarks, deren Behandlung und wie sich ihr Gesundheitsstatus im Laufe der Jahre verändert hat. Im Rahmen der Arbeit wurde erforscht, welche Therapien auf Dauer den größten Erfolg brachten. So haben die Forscher*innen einen Grundstein geschaffen, auf dem weitere Methoden und Behandlungswege erdacht werden können.

Im Vergleich zu den niedriggradigen Gliomen im Gehirn verhalten sich Gliome im Rückenmark meist aggressiver: Die Krankheit schreitet nach vielen Jahren der Stabilität – zum Teil auch mehrmals – voran und hat auch eine größere Neigung dazu, Metastasen zu bilden oder sich zu einer höhergradig bösartigen Form zu entwickeln.

Die Behandlung der Erkrankung gestaltet sich kompliziert. „Eine möglichst komplette Tumorentfernung sollte primär stets angestrebt werden, da (wie wir auch zeigen konnten) das Risiko für einen Erkrankungsrückfall bzw. ein Fortschreiten sinkt, je mehr Tumorgewebe entfernt werden konnte. Oft ist eine solche Operation jedoch sehr schwierig oder gar nicht möglich. Um optimale Ergebnisse möglichst ohne neurologische Folgeschäden zu erzielen, sollte die Behandlung daher in spezialisierten Zentren erfolgen und auch eventuelle Langzeitfolgen in Bezug auf das Wirbelsäulenwachstum berücksichtigen“, so Thomas Perwein.

Die Studie zeigt, dass es bei einem Großteil der 128 betrachteten Patient*innen im Laufe des Beobachtungszeitraums zu einem Fortschreiten der Krankheit kam, sogar Jahre nach der letzten Behandlung. Über ein Drittel der Betroffenen benötigten mehr als eine Art der Therapie (Operation, Chemotherapie, Bestrahlung). Laut Thomas Perwein müssen der richtige Zeitpunkt und die Art der Therapie im Hinblick auf den langfristigen Verlauf der Erkrankung und mögliche therapiebedingte Langzeitfolgen wohl überlegt sein.

„Im Falle eines Rückfalls oder Fortschreitens der Erkrankung mit Handlungsbedarf sollten ein wiederholter Resektionsversuch bzw. zumindest eine Biopsie inklusive molekulargenetischer Analysen der Tumoren erfolgen. Einerseits, um wichtige Kenntnisse über die Biologie dieser Tumoren erlangen zu können und andererseits, um eventuell vorhandene molekulare ‚Targets‘ für eine mögliche zusätzliche zielgerichtete Therapie zu identifizieren“, erklärt Thomas Perwein.


Lehren für die Zukunft

Die Studie liefert eine Übersicht über die erfolgreichsten Behandlungswege, um diese seltene Tumorart möglichst gut unter Kontrolle zu halten. Die Analyse dient damit als  Leitlinie, an der sich behandelnde Ärzt*innen orientieren können, um die jungen Patient*innen bestmöglich behandeln zu können.

Das Forschungswerk liefert auch Anhaltspunkte für zukünftige Studien. „Auf Basis der retrospektiven molekulargenetischen Daten dieser Studie sollte die Biologie von niedriggradigen Gliomen des Rückenmarks bei Kindern und Jugendlichen zukünftig weiter erforscht werden, auch im Hinblick auf mögliche Zusammenhänge zwischen genetischen Veränderungen und klinischen Parametern. Die in dieser Studie beobachtete relativ hohe Rate an spinalen LGG, die im Verlauf zu einem höhergradigen, bösartigen Tumor fortschritten, ist Grundlage für unser laufendes Projekt zur Erforschung des äußerst selten vorkommenden Phänomens der malignen Veränderung von niedriggradigen zu hochgradigen Gliomen im Kindes- und Jugendalter”, so Thomas Perwein.


Steckbrief: Thomas Perwein
Thomas Perwein hat sein Studium der Humanmedizin an der Med Uni Graz im Jahr 2010 als Jahrgangsbester abgeschlossen. Nach Ausbildungen zum Notarzt, Allgemeinmediziner und Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde ist er als pädiatrischer Hämatologe und Onkologe an der Klinischen Abteilung für pädiatrische Hämato-Onkologie tätig. Begleitend absolviert er aktuell sein Doktoratsstudium der Medizinischen Wissenschaften an der Med Uni Graz.

Kontakt

OA Dr. med. univ.
Thomas Perwein 
Medizinische Universität Graz
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde
T: Tel.: +43 316 385 30005