Rosa Flamingos im Pool - 2mmedia/adobe.stock.com

Warum Chlor besser ist als sein Ruf und wann es zu viel ist

Die meisten Pools hierzulande werden mit Chlor desinfiziert. Das ist gesundheitlich unbedenklich. Erst wenn das Wasser zu wenig gefiltert wird, reizt es die Augen. Pia Kruckenhauser von "DER STANDARD" ist im Gespräch mit Franz Mascher vom Diagnostik- & Forschungsinstitut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin der Med Uni Graz der Frage nachgegangen, warum Chlor besser ist als sein Ruf.

Strahlender Sonnenschein, eine große Liegewiese, ein Sprungturm – und der typische Geruch von Chlor. Für viele ist das eine schöne Kindheits- und Jugenderinnerung an Sommernachmittage im Freibad. Zu Hause haben dann oft die Augen gebrannt, Haut und Haare waren ausgetrocknet, und man hat immer noch nach Chlor gerochen. Und genau diesen Duft hat man auch heute noch oft in der Nase, sei es im Freibad oder in privaten Pools.

Tatsächlich riecht Chlor in seiner freien Form aber wenig bis gar nicht. Der Geruch entsteht erst, wenn sich das Chlor im Badewasser mit einem anderen, an sich geruchlosen Stoff verbindet: mit Harnstoff. Steigt einem beim Baden der stechende Chlorduft in die Nase, bedeutet das also nicht, dass das Wasser durch das hineingeschüttete Chemiezeugs besonders sauber ist, sondern im Gegenteil, es ist stark verunreinigt. Mit Harnstoff eben, der im Wasser verbleibt, weil dieses nicht ausreichend gefiltert wird.

Harnstoff ist ein Abfallprodukt des Stoffwechsels, das beim Abbau von Aminosäuren entsteht, es befindet sich im Urin und auch im Schweiß. In den Pool gelangt es entweder, weil jemand hineinpinkelt, oder, weil Menschen vor dem Baden den Schweiß nicht abduschen. Im Wasser verbindet sich der Harnstoff mit Chlor, es entstehen Chloramine, das sind Chlor-Stickstoff-Verbindungen. Diese entwickeln den bekannten Geruch. Außerdem können sie Schleimhäute und Augen stark reizen und die Haut austrocknen. Anders gesagt: Je mehr mehr Menschen ungeniert in den Pool pinkeln oder ungeduscht ins Becken springen, desto stärker wird die Verschmutzung, desto intensiver wird der typische Schwimmbadgeruch inklusive Folgen.


Effizientes Desinfektionsmittel

Dabei ist Chlor aus gesundheits- und umwelthygienischer Sicht weit besser als sein Ruf, erklärt Franz Mascher, Umwelthygieniker an der Med-Uni Graz: "Chlor ist das Desinfektionsmittel schlechthin, es tötet Bakterien, Viren, Algen und Pilzsporen gleichermaßen schnell ab." Das ist auch der Grund, warum Chlor weltweit zur Desinfektion von Trinkwasser eingesetzt wird. "Chlor ist nachweislich der Stoff, der durch Trinkwasserdesinfektion mehr Menschenleben gerettet hat als irgendein Heilmittel."

Im Pool ist wichtig, dass die Filteranlage gut funktioniert und das Wasser permanent durchläuft. Dann wird der Harnstoff herausgefiltert, zurück bleibt freies beziehungsweise ungebundenes Chlor, das Mikroorganismen und Krankheitserreger im Wasser inaktiviert. Bereits eine Konzentration von 0,3 bis 0,5 Milligramm Chlor pro Liter Beckenwasser reicht dafür aus. Erst durch die Verunreinigung verliert das Chlor ja seine reinigende Kraft, Reizungen inklusive.


Salz statt Chlor?

Genau wegen letzteren setzen einige Poolbesitzer zur Reinigung auf Salz statt auf Chlor. Dabei desinfiziert das Salz gar nicht, erklärt Umwelthygieniker Mascher: "Die reinigende Wirkung entsteht durch das aus Salz erzeugte Natriumhypochlorit. Ein Salz- oder Meerwasserbad ist also keineswegs Chlor-frei. Der Unterschied ist, dass der Wirkstoff nicht zugegeben, sondern im Becken selbst erzeugt wird." Gibt man nämlich Natriumchlorid in Form von Salz ins Wasser, entsteht in der für die Reinigung notwendigen Elektrolyse-Anlage Natriumhypochlorit, das ist chemisch gesehen die einfachste Form der Sauerstoffsäuren von Chlor.

Ist das Poolwasser ausreichend gefiltert, sodass mit Harnstoff gebundenes Chlor herausgereinigt wird, kann man es theoretisch sogar zur Gartenbewässerung nutzen, sagt Andreas Baumgarten, Abteilungsleiter Gesundheit für Mensch, Tier und Pflanzen bei der Österreichischen Gesundheitsagentur (Ages): "Im Prinzip kann Wasser aus dem Pool zur Bewässerung im Garten genutzt werden, allerdings sollte der Chlorgehalt nicht über 0,05 Milligramm pro Liter liegen. Je nach ursprünglich zugesetzter Menge wird diese Konzentration üblicherweise nach zwei bis drei Tagen unterschritten."


Augen schützen

Bleibt die Tatsache, dass schlecht gefiltertes Chlorwasser die Augen reizen kann. "Gechlortes, sauberes Wasser ist relativ harmlos. Sind die Augen nach dem Baden trotzdem gerötet, ist das im Normalfall ungefährlich, Rötung oder auch Brennen verschwinden meistens von selbst wieder", sagt Gerd Geerling von der Augenklinik Düsseldorf. Nachspülen mit Leitungswasser oder Augentropfen, zum Beispiel mit Hyaluron, können helfen, die Reizung schneller zu lindern. "Hält die Irritation aber länger als einen Tag an, sollte man zum Augenarzt gehen", sagt Geerling.

Und er warnt vor zu trockenen Augen: "Poolwasser, aber auch See- oder Meerwasser waschen den natürlich schützenden Tränenfilm des Auges aus und reizen zusätzlich. Keime und Krankheitserreger können dann leichter in die Hornhaut eindringen und eine Infektion verursachen." Deshalb sollte man beim Tauchen mit offenen Augen immer eine Schwimmbrille tragen. Duscht man sich nach jedem Tauchgang im Pool auch noch ab, trocknet auch die Haut nicht aus – und der Badespaß bleibt ungetrübt.


Textnachweis: Pia Kruckenhauser, DER STANDARD, 27.07.2023