Hilfe für Neugeborene in Not / Foto:Irene Geo/AdobeStock.com

Durch neue Kooperation sollen Baby-Leben gerettet werden

Eins, zwei, drei! Mit zwei Fingern drückt Diplomkrankenpflegerin Susanne Brodtrager im immer gleichen Rhythmus fest auf den winzigen Brustkorb des Babys. „Wir haben keine Sättigung“, ruft Gynäkologe Christian Neugebauer  mit Blick auf den Monitor, der oberhalb des Neugeborenen blinkt und piept. Mit einer Beatmungsmaske versucht er, das Baby mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen, denn es atmet nicht selbst. Auch sein Herz schlägt nicht. Gerade erst durch einen Notkaiserschnitt auf die Welt geholt, muss dieses Baby bereits um sein Leben kämpfen – und das Team auf der Geburtenstation des LKH Feldbach tut alles, um diesen Kampf zu gewinnen. Nur dass es sich um kein echtes Baby handelt, sondern um eine Simulationspuppe – und auch der Notfall ist nicht echt, sondern Training für den Ernstfall.

„Es gibt am LKH Feldbach rund 1100 Geburten jedes Jahr, aber es gibt keine Kinderabteilung vor Ort“, sagt Lukas Mileder. Der Neonatologe der Med Uni Graz leitet dieses Simulationstraining, durch das Pflegerinnen, Hebammen, Frauenärzte und Notfallmediziner lernen, wie man einem Baby das Leben rettet. „Etwa zehn Prozent der Neugeborenen brauchen nach der Geburt Unterstützung“, sagt Mileder. Meist handelt es sich um sogenannte Anpassungsstörungen: Die Lunge und die Atmung funktionieren noch nicht richtig. Dann heißt es, sofort zu reagieren: „Ein Neugeborenes, das nach der Geburt nicht atmet, muss innerhalb von einer Minute beatmet werden“, sagt Mileder. Eine Minute von der Geburt bis zur lebensrettenden Beatmung – „eine Minute ist für uns Ersthelfer gar nichts, aber für einen Organismus ohne Sauerstoff eine Ewigkeit.“ Daher muss im Notfall jeder Handgriff sitzen, und genau das trainieren alle Berufsgruppen, die am LKH Feldbach mit Neugeborenen zu tun haben, seit nun mehr als neun Jahren regelmäßig.

„Unser Ziel ist, den Notfall so lange zu trainieren, bis er zur Routine wird“, sagt Angelika Rohrleitner, Oberärztin an der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am LKH Feldbach-Fürstenfeld. Denn zum Glück sind Notfälle bei Neugeborenen selten – umso größer ist die Furcht vor solchen Situationen, in denen es um Leben und Tod geht. „Durch das regelmäßige Training verliert man die Angst“, sagt Rohrleitner. Da irgendwann klar war, dass es keine spezialisierte Kinderabteilung am LKH Feldbach geben werde, „haben wir gewusst, wir müssen für den Notfall trainieren“, sagt Rohrleitner. Im Jahr 2014 wurde dieses Simulationstraining ins Leben gerufen und laut Rohrleitner sei die Nachfrage der Belegschaft, teilnehmen zu können, sehr groß.

Die Trainings, die heuer mit dem Austrian Patient Safety Award der Plattform Patient:innensicherheit ausgezeichnet wurden, finden an Ort und Stelle statt – im Kreißsaal, mit den Gerätschaften wie auch im Ernstfall. „So können wir so realitätsnah wie möglich trainieren und das ist genau das, was gute Teams von sehr guten unterscheidet“, sagt Mileder.

Auch am Wochenbett kann es noch zu Notfällen kommen. Einen solchen trainiert Neonatologe Bernhard Schwaberger von der Med Uni Graz mit einer zweiten Gruppe an diesem Tag. „In diesem Fall ist das Baby plötzlich blau geworden, das Team musste erkennen, was die Ursache ist, und die Behandlung einleiten“, erklärt Schwaberger. Die Sepsis des Babys, hervorgerufen durch eine schwere Infektion, wurde erkannt, das Neugeborene wäre perfekt versorgt worden, sagt Schwaberger sichtlich stolz. „Den Effekt, den wir sehen: Jenen Kindern, die wir auf der Neonatologie der Med Uni in Graz weiterbetreuen, geht es besser, sie sind stabiler“, berichtet Mileder.

Eins, zwei, drei! Noch immer drücken die zwei Finger von Susanne Brodtrager auf den Brustkorb des Babys. Christian Neugebauer hat den Monitor im Blick: „Wir haben einen Puls“, ruft er mit spürbarer Erleichterung. Das Baby wird rosig, der Notfall ist gemeistert – und wäre hier keine Puppe, sondern ein echtes Baby gelegen, hätte das Team soeben ein Leben gerettet.

Textnachweis: Sonja Krause, Kleine Zeitung Resort Gesundheit vom 11.1.2024
Foto: Manuel Hanschitz/Kleine Zeitung