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Großschadensereignisse besser managen können

Es gibt eine Vielzahl von Szenarien, die komplexe Einsätze unter Tage nötig machen. Diese können von Großschadensereignissen in Straßen- und/oder Eisenbahntunnels, die bereits in Betrieb sind, über Zischenfälle auf Tunnelbaustellen bis hin zu terroristischen Anschlägen in U-Bahnen und sonstigen Untertagebauwerken beispielsweise der Untertage-Energie-infrastruktur nicht ausgeschlossen werden. Bei derartigen Ereignissen kommt es zu einer Vielzahl an Verletzten innerhalb kurzer Zeit. Dies stellt Herausforderungen an die Erstversorgung und erfordert Triageentscheidungen, Zuweisungen zu Versorgungsketten und eine rasche Organisation von ärztlicher Versorgung. Eine Schwierigkeit stellen dabei auch unterschiedliche Gefahrenzonen dar, die nur für speziell ausgebildete Einsatzkräfte zugänglich sind. Auch die psychosozialen Belastungen bei derartigen Ereignissen sind spezifisch. Solche betreffen Einsatzkräfte und verunfallte Personen sowie deren Angehörige, insbesondere in Hinblick auf deren Informationsbedürfnisse, die in Akutereignissen oft schwer erfüllbar sind.

Für eine adäquate medizinische Versorgung bei Ereignissen unter Tage sind spezifische nationale, aber auch internationale Notfallkapazitäten nötig.

Beim Projekt NIKE MED, (gefördert im Programm KIRAS - Sicherheitsforschung) unter der Leitung des Zentrums am Berg (ZAB) der Montanuniversität Leoben ist das Ziel, gemeinsam mit der Med Uni Graz, der Mindconsole GmbH, der Universität Innsbruck – Institut für Psychologie, dem Bundesministerium für Landesverteidigung, der IL – Ingenieurbüro Laabmayr & Partner ZT GmbH und dem DCNA (Disaster Competence Network Austria) Notfallkapazitäten zu evaluieren und eine Applikation für alle in Notfälle involvierten Einsatzkräfte zu entwickeln, um einen Katastropheneinsatz im Tunnel bzw. Untertage koordiniert und professionell gemeinsam ablaufen zu lassen. Die notfallmedizinische Versorgung der Verletzten soll so in Zukunft optimiert werden.


Zentrum am Berg als Übungsort

Am Samstag, 16.09. findet am Zentrum am Berg (ZAB) der Montanuniversität Leoben eine Einsatzübung im Rahmen dieses Projektes statt. Aus dem Projekt sollen Daten generiert werden, die optimierte Prozesse für die medizinische und psychosoziale Versorgung bei Katastrophen unter Tage zulassen. Eine Applikation für Einsatzkräfte soll schließlich eine Verbesserung der Organisation und Umsetzung von Einsätzen bei Katastrophen und Tage und damit eine bessere und schnellere medizinische Versorgung der Betroffenen ermöglichen. Das Zentrum am Berg bietet hier ein optimales Umfeld: „Wir können hier eine Realübung durchführen ohne die Bevölkerung im täglichen Straßen- und Eisenbahnverkehr zu beeinträchtigen. Unsere Forschungsanlage besteht aus vier Tunnelstrecken mit einer Gesamtlänge von ca. 1500 Metern“, bekräftigt ZAB Leiter Univ.-Prof. Dr. Robert Galler.

Ziel ist es jetzt, aus den Erfahrungen im Rahmen der Übung im Realmaßstab im Tunnel zu profitieren und die Technologien zu verbessern. Mit der Übung am 16. September 2023 soll es gelingen, die entwickelten Prototypen im Maßstab 1:1 zu testen und so Ersthelfer*innen besser auf reale Einsätze vorbereiten. Johanniter Österreich, die freiwillige Feuerwehr Inzersdorf sowie die Polizei Gleinalm werden dabei gemeinsam in den Tunnelanlagen am ZaB am steirischen Erzberg mit den Forschungspartnern des NIKE-MED-Projektes trainieren.


Ablauf der Großschadensübung

Die eintägige Großschadensübung im Tunnel stellt einen großen Aufwand dar: „Rund 20 Ersthelfer*innen werden gemeinsam den Ernstfall trainieren. Statist*innen, Organisationen und Forscher*innen eingerechnet sind insgesamt rund 100 Personen bei der Übung beteiligt“, führt Univ-Prof. Robert Galler, Head of Department des ZAB, die Dimensionen der Übung vor Augen. Die Erkenntnisse aus der Übung fließen anschließend in beide Forschungsprojekte ein und sollen in Zukunft das Training für Großschadenslagen und die Organisation vor Ort solcher herausfordernden Situationen für alle Einsatzkräfte verbessern.


ZAB als ideale Trainingsumgebung

Reale Trainingstage für Einsatzkräfte sind teuer und organisatorisch aufwändig – sowohl in der Vorbereitung als auch in der Durchführung. Ein konkretes Beispiel: Die Sperre des Kaisermühlentunnels in Wien für Übungszwecke ist ein Großereignis, das zudem auch verkehrstechnisch einen großen organisatorischen Aufwand verursacht. Das ZAB bietet hier einen großen Vorteil – es muss nichts gesperrt oder extra präpariert werden. Die Montanuniversität Leoben betreibt am Erzberg eine europaweit einzigartige Forschungsinfrastruktur rund um den Bau und Betrieb von Untertageanlagen.


Expertise der Med Uni Graz  

Simulationsexpert*innen des Clinical Skills Center (CSC) der Med Uni Graz, eine der führenden Einrichtungen für Simulation im Gesundheitswesen Österreichs, planen seit Wochen gemeinsam mit den Verantwortlichen des ZAB  jedes Detail der Übung.

Ziel der Verantwortlichen ist es vor Ort hochrealistische Bedingungen herzustellen. So wurde speziell für die Übung das „Einsatzzentrum Drei-König“ eingerichtet, von wo aus Feuerwehr, Rettung und Polizei zu den Rettungsaktionen ausrücken werden. Rund 40 Statist*innen werden in die Rolle von Unfallbeteiligten schlüpfen, gecoacht von Mediziner*innen und Psycholog*innen der Med Uni Graz. „Wir simulieren in Graz am CSC täglich und in täuschend echter Weise „Krankenhaus“ mit dem Ziel unsere Studierenden möglichst realitätsnah auf ihren Berufsalltag vorzubereiten. Der Schauplatz ZAB ist eine Kategorie für sich und selbst für uns eine simulationsmedizinische Herausforderung. Rund 20 Personen werden daher für den geordneten Übungsablauf sowie die Sicherheit der Übungsteilnehmenden sorgen. Sogar ein eigenes Notarztteam wird vor Ort sein“, erklärt Thomas Wegscheider, selbst Notfallmediziner und Leiter des CSC. Und Wegscheider weiter:„Für Überraschungen auf Seiten der Einsatzkräfte ist jedenfalls gesorgt. Nur Wenige in unserem Team wissen genau was wann und in welcher Form passieren wird. Wir sind schon gespannt und freuen uns auf das was kommt.“


Statistik

In Österreich gibt es laut Asfinag 166 Straßentunnel. Im Jahr 2021 ereigneten sich laut Statistik Austria 125 Unfälle in österreichischen Tunnel, dabei wurden 186 Personen verletzt. Die meisten Unfälle und Verletzte gab es in OÖ, gefolgt von Tirol und Wien.


Projektpartner

  • Medizinische Universität Graz
  • Bundesministerium für Landesverteidigung
  • DCNA – Disaster Competence Network Austria
  • IL – Ingenieurbüro Laabmayr & Partner ZT GmbH
  • Mindconsole GmbH
  • Universität Innsbruck – Institut für Psychologie



Weitere Infos:

Univ.-Prof. Dipl:-Ing. Dr. Robert Galler
Lehrstuhl für Subsurface Engineering,
ZaB Zentrum am Berg, Montanuniversität Leoben
E-Mail: robert.galler(at)unileoben.ac.at
Tel.: 03842 402 3400
Mobil: +43 664 210 1607


Univ. FA Dr. med. univ. Thomas Wegscheider
Stabsstelle Clinical Skills Center (S-CSC)
Medizinische Universität Graz
Neue Stiftingtalstraße 6 (MC1.C./MC1.D./MC1.G.)
A-8010 Graz
Tel.: +43 316 385 72161
Mobil: +43 664 88961716

Textnachweis: Montanuniversität Leoben