Forschung an künstlichem Blut an der Med Uni Graz - Foto: Lunghammer

Forschung: Kommt Blut bald aus dem Labor?

Blutkonserven sind eine lebenswichtige, aber oft knappe Ressource. An der Med Uni Graz wird daher an künstlichem Blut aus dem Labor geforscht. Mit der Forschung bewegt man sich im internationalen Spitzenfeld.

Flüssiger Stickstoff wabert über die Ränder eines Behälters. Mit einer kleinen Pinzette zieht eine Mitarbeiterin ein Kunststoffröhrchen aus dem Behälter. Darin enthalten, der Ausgangsstoff für das künstliche Blut: menschliche Blutstammzellen. Aus ihnen können in einem komplexen Vorgang und der richtigen Nährlösung neue rote Blutzellen entstehen.

Am Universitätsklinikum für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin der Med Uni Graz wird seit zehn Jahren an künstlich hergestelltem Blut geforscht. Das vorrangige Ziel der Forschungsgruppe: Rote Blutkörperchen im Labor herzustellen, die genauso funktionieren, wie jene im menschlichen Körper. Damit kann man nicht nur Blutkonserven im Labor herstellen, sondern auch Krankheiten, die rote Blutkörperchen betreffen, besser erforschen.
 

Kultivierung im Brutschrank bei 37 Grad

Damit aus einer menschlichen Stammzelle tausende Blutzellen werden, braucht es neben der richtigen Nährlösung auch einen Brutschrank, in dem die Zellen samt Nährlösung inkubiert werden. Hinter einer dicken Tür lagern dort in Fächern hunderte Schälchen. Die Temperatur liegt dauerhaft bei 37 Grad. In den Schälchen findet sich eine rötliche Lösung, die auf den ersten Blick sehr unspektakulär aussieht. Erst unter dem Mikroskop wird sichtbar, dass sich darin zahlreiche Blutzellen tummeln. Diese Art der Vermehrung ist bereits gut erforscht und gelingt im Labor bereits sehr gut.

Bleibt die Frage, warum künstliches Blut noch nicht im großen Maßstab hergestellt wird. „Das scheitert momentan einerseits an den hohen Kosten und andererseits an der biomedizinischen Technik, die wir für den industriellen Maßstab erst noch weiterentwickeln müssen.“, sagt Isabel Dorn, Leiterin der Forschungsgruppe an der Med Uni Graz.

Denn um die Blutzellen in einem größeren Maßstab produzieren zu können, muss die Produktion zunächst in einen Bioreaktor verlagert werden. Das ist ein Gefäß, in dem die Zellen in der Nährlösung dauerhaft gerührt werden. Zudem werden ständig die Begebenheiten erhoben, wodurch im Endeffekt bessere Bedingungen und ein niedriger Verbrauch an Nährlösung erreicht werden sollen. Damit wäre die Produktion laut Isabel Dorn langfristig viel wirtschaftlicher.
 

Bioreaktoren müssen an Blutzellen angepasst werden

Auch im Labor der Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin steht ein kleiner Bioreaktor. Ein zylinderförmiges Gefäß mit einem Rührstab, das an zahlreiche Schläuche angeschlossen ist. „Die Bioreaktoren, die es aktuell am Markt gibt, wurden etwa für große Bakterienkulturen entwickelt. Rote Blutkörperchen verhalten sich jedoch anders und sind deutlich empfindlicher. Deswegen benötigen wir aufeinander angepasste Systeme“, sagt Isabel Dorn. Zudem sind die erzielten Erfolge aus dem Brutschrank nicht eins zu eins auf die Produktion im Bioreaktor übertragbar, denn während die Zellen im Brutschrank nicht bewegt werden, müssen sie im Bioreaktor zunächst das ständige Rühren überleben.

Dass die Zellen überhaupt so stabil sind, dass sie den Prozess der Vermehrung überleben, darf sich das Labor der Med Uni Graz auf die Fahnen heften. Denn ohne ihren Durchbruch 2020 würde es die gesamte internationale Forschung auf dem aktuellen Level nicht geben. Bis dahin waren die gezüchteten Blutzellen sehr fragil und sind noch in der Kulturschale zerfallen. Während sich die anderen Forschungsgruppen auf der Suche nach der Ursache auf die Proteine gestürzt haben, entschied die Grazer Forschungsgruppe sich auf die Fette als Ursache zu fokussieren und lag damit goldrichtig.
 

Pluripotente Stammzellen als Alleskönner

Aktuell könne man im Labor Zellen ungefähr in einem Maßstab von 100.000-facher Vermehrung kultivieren. Das heißt, aus einer Stammzelle können 100.000 rote Blutzellen generiert werden. In einem Routine-Maßstab im Labor kann man so schlussendlich etwa 500 Millionen Zellen generieren. Für eine Blutkonserve bräuchte man aber nochmals das Zehntausendfache an Zellen, so dass die Kosten hierfür aktuell noch mehrere tausend Euro betragen.

Neben der Kultivierung von sogenannten adulten Stammzellen forscht man an der Med Uni Graz auch an sogenannten induziert pluripotenten Stammzellen. Der große Unterschied: Während sich adulte Stammzellen, wie Blutstammzellen, nur mehr zu Blutzellen entwickeln können, können sich pluripotente Stammzellen, auch embryonale Stammzellen genannt, noch in jeden Zelltyp entwickeln. Da die Forschung an embryonalen Stammzellen aber ethisch problematisch und in Österreich verboten ist, da hierfür Embryonen zerstört werden, forscht man in Graz an induziert pluripotenten Stammzellen.

Das sind ausgereiften Körperzellen, die in das Stadium einer embryonalen Stammzelle zurückversetzt werden können. Der große Vorteil daran ist, dass diese Zellen im Gegensatz zu Blutstammzellen das Potenzial haben sich unendlich zu vermehren. Zudem kann man diese Zellen aus beliebigem Gewebe jedes Menschen herstellen. „So könnten wir Patient*innen spezifische Zelllinien herstellen, um bestimmte Erkrankungen gezielt zu untersuchen oder Medikamente individuell für den Patienten auszutesten“, so Isabel Dorn. Zudem kann man mit diesen Zellen auch Eigenblut für Patient*innen herstellen.

Bis das künstlich hergestellte Blut aber im großen Maße verwendbar ist, wird es noch einige Zeit dauern. „Von Seiten der Technik bedarf es noch enormer Anstrengungen in Forschung und Entwicklung, um rote Blutkörperchen im großen Maßstab zu generieren. Ich würde sagen, dass die Herstellung im Bioreaktor in fünf bis zehn Jahren realistisch ist“, sagt die Leiterin der Forschungsgruppe. Aber selbst wenn das geschafft ist, muss das Blut aus dem Labor noch eine Zulassung als Arzneimittel bekommen, um tatsächlich Patient*innen verabreicht werden zu können. „Das ist ein weiter Weg, da Blut in Österreich ein Arzneimittel ist und strengen gesetzlichen und behördlichen Regelungen unterliegt“, fügt Isabel Dorn hinzu..
 

Letzter Schritt der Ausdifferenzierung fehlt noch

Ein kleines Hindernis gibt es zudem noch: Der allerletzte Reifungsschritt der Blutzellen, der im Körper passiert, funktioniert im Labor noch nicht. Laut der Forscherin sind die Zellen auch ohne diesen letzten Differenzierungsschritt in der Anwendung unbedenklich. Das Problem ist aber: Zellen in dieser Vorstufe verhalten sich nicht ident mit jenen voll ausgereiften der Blutspender*innen. Daher könnte man Beutel und Lagerungsbedingungen nicht vollends übernehmen und auch die Zulassung wäre nochmals ein anderer, weiterer Weg.

Dass Blut aus dem Labor menschliche Blutspenden irgendwann ersetzen kann, glaubt die Expertin dennoch nicht. „Ich persönlich glaube, dass unsere kultivierte rote Blutzellen zukünftig Engpässe bei schwer zu versorgenden Patient*innen überbrücken können, indem wir Blut für Patient*innen herstellen können, die eine sehr seltene Blutgruppe haben und komplexe Immunisierungen gegen fremde Blutgruppenmerkmale aufweisen“, sagt Isabel Dorn.

Textnachweis: Marie Miedl-Rissner, Kleine Zeitung vom 10.07.2025

Kontakt

Univ. FÄ Priv.-Doz.in Dr.in med.
Isabel Dorn 
Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin
Medizinische Universität Graz
T: +43 316 385 86875