Kaffeebohnen fliegen durch die Luft - Ganna Chabanenko/adobe.stock.com

Morgenkaffee: gut oder schlecht für die Gesundheit?

Gehören Sie auch zu jenen Menschen, die den Tag ausschließlich mit Kaffee starten können – aber ohne einen Bissen dazuzuessen? Immer wieder wirft das die Frage auf, ob dadurch die Magenschleimhaut einen Schaden nehmen kann. Die Gastroenterologin Trisha Pasricha vom Massachusetts General Hospital in den USA hat sich jetzt für einen Beitrag in der New York Times ausführlich mit diesem Thema beschäftigt und einige ihrer Kolleginnen und Kollegen dazu interviewt. Der KURIER hat bei der Gastroenterologin Vanessa Stadlbauer-Köllner von der Med Uni Graz nachgefragt.


Studien liefern unterschiedliche Ergebnisse

„Das Problem ist, dass insbesondere die Effekte auf den Magen und die Speiseröhre, also den oberen Verdauungstrakt, in Studien sehr unterschiedliche Ergebnisse gezeigt haben“, erklärt die Expertin der Med Uni Graz. Das liege u. a. an den unterschiedlichen Kaffeesorten, Inhaltsstoffen und Zubereitungsarten. Prinzipiell könne man aus den bisherigen Untersuchungen keinen negativen Effekt des frühmorgendlichen Kaffeegenusses schließen. Es ist zwar nachgewiesen, dass Kaffee die Produktion von Magensäure fördert. „Das ist prinzipiell aber nichts Schlechtes“, beruhigt Stadlbauer-Köllner. „Magensäure dient schließlich dazu, bei der Verdauung zu helfen und eventuelle Bakterien abzutöten.“

"Forscher untersuchen seit den 70er-Jahren die Vor- und Nachteile des Kaffeetrinkens, insbesondere in Bezug auf den Darm", weiß auch Kim Barrett, Professorin für Physiologie an der Universität von Kalifornien. "Glücklicherweise kann der Magen reizenden Stoffen wie Kaffee widerstehen. Der Magen hat so viele Möglichkeiten, sich zu schützen“, führt Barrett aus. So sondere er etwa eine dicke Schleimschicht ab, die einen starken Schild zwischen der Magenschleimhaut und dem, was man zu sich nehme, bilde. Dieser Schutzschild bewahre den Magen auch vor seiner eigenen, natürlichen sauren Umgebung, die für die Zersetzung der Nahrung notwendig ist. Man müsste schon eine sehr scharfe Substanz zu sich nehmen, "damit die Abwehrkräfte des Magens durchbrochen werden".

Allerdings: Reizstoffe wie Alkohol, Zigarettenrauch und bestimmte entzündungshemmende Medikamente können die natürlichen Abwehrmechanismen des Magens beeinträchtigen und die Schleimhaut verletzen, sagt Byron Cryer, Leiter der Inneren Medizin am Baylor University Medical Center in Dallas. Bei Kaffee sei dies aber nicht der Fall. So ergab etwa eine Studie aus dem Jahr 2013, an der mehr als 8.000 Menschen in Japan teilnahmen, keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und der Bildung von Geschwüren im Magen oder im Darm – auch bei jenen, die drei oder mehr Tassen pro Tag tranken.

„Es ist nicht wahrscheinlich, dass Kaffee – selbst in konzentrierter Form - tatsächlich den Magen verletzt", sagt Cryer. „Und schon gar nicht in den typischen Mengen, die üblicherweise in Getränken enthalten sind.“ Trotzdem hat Kaffee einen Effekt auf den Darm: Er kann die Verdauung beschleunigen und die Säureproduktion im Magen erhöhen. " Leute die zu Verstopfung neigen, profitieren eher davon, wenn sie in der Früh als erstes einen Kaffee trinken", sagt Stadlbauer-Köllner. Bei empfindlichen Menschen kann das unter Umständen jedoch zu einer lokalen Entzündung führen, weiß die Expertin. Sie berichten dann von Sodbrennen oder Magenschmerzen. Wenn der Magen schon mit einem ordentlichen Frühstück gefüllt ist, „dann kommt dieses bisschen Kaffee gar nicht so in Kontakt mit der Magenschleimhaut“.


Mit oder oder Milch?

Einen Unterschied macht auch, ob man den Kaffee schwarz trinkt: „Zucker oder Milch führen dazu, dass die Inhaltsstoffe des Kaffees an Eiweiß oder Fett gebunden sind und dadurch nicht auf einen Rezeptor in der Magenschleimhaut binden können.“ Auch Magen-Darm-Spezialistin Pasricha weiß: Ohne Milch oder einer gleichzeitigen Mahlzeit, kann der ph-Wert des Magens stärker sinken.

Ein niedrigerer ph-Wert sei zwar für die Magenschleimhaut kein Problem, könnte aber für die Schleimhaut der Speiseröhre eines sein. Diese sei viel anfälliger für eine Schädigung durch die Säure. Darüber hinaus haben einige Studien gezeigt, dass Kaffee den Schließmuskel, der die Speiseröhre mit dem Magen verbindet, entspannen kann und öffnen kann. Dadurch könnte die Magensäure leichter nach oben in die Speiseröhre rinnen und unangenehmes Sodbrennen verursachen.

„Aber auch hier ist die Datenlage uneinheitlich“, schreibt Pasricha. Eine 2014 durchgeführte neuerliche Auswertung von älteren Studien aus Europa, Asien und den USA konnte keinen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Kaffee und Sodbrennen nachweisen. Im Gegensatz dazu stellte eine Studie aus dem Jahr 2020, die auf den Daten von mehr als 48.000 Krankenschwestern beruht, ein höheres Risiko von Sodbrennen unter Kaffeetrinkerinnen fest.

„Als Gastroenterologin rate ich meinen Patienten, auf ihre Symptome zu achten“, unterstreicht Pasricha. „Wenn sie nach dem Kaffeetrinken ständig einen brennenden Schmerz in der Brust oder einen sauren Geschmack im Mund spüren, sollten sie vielleicht die Menge reduzieren – oder ein Antazidum ( ein Arzneimittel zur Neutralisierung der Magensäure, Anm .) in Betracht ziehen. Auch ein wenig Milch oder Kaffeeobers oder ein wenig dazu zu essen kann helfen. "Ich habe auch Patientinnen und Patienten, die die Kaffeesorte oder -zubereitung gewechselt haben und dann keine Magenschmerzen mehr hatten", erzählt Stadlbauer-Köllner.


Mehr Nutzen als Schaden

„Wenn Sie aber keine Symptome bemerken, haben sie wahrscheinlich keinen nennenswerten Reflux ( Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre, Anm. ) und können in Ruhe weiter Kaffee trinken.“ Generell, betont Internist Cryer, hat der Konsum von Kaffee viele gesundheitliche Vorteile; darunter ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ein Schutz vor vielen Krebsarten, einschließlich Leber-, Prostata-, Brust- und Darmkrebs.

Fazit: "Es gibt weitaus mehr Beweise für einen Nutzen als für einen Schaden von Kaffee." Auch Stadlbauer-Köllner ist von der gesundheitsfördernden Wirkung von Kaffee überzeugt: "Kaffee hat z.B. äußerst positive Effekte auf die Leber. Er verringert das Leberkrebs-Risiko und verhindert, dass chronische Lebererkrankungen überhaupt entstehen."

Ihre Empfehlung: „Wenn es mir guttut oder wenn ich es brauche, um überhaupt die Augen in der Früh aufzukriegen, dann kann man Kaffee natürlich auf nüchternen Magen trinken. Wenn man vorher lieber das Frühstück isst, soll man eben das machen.“

Textnachweis: Elisabeth Kröpfl und Ernst Mauritz, KURIER vom 31.01.2023