10 Jahre IAMEV. Credit: Med Uni Graz/Bergmann

10 Jahre IAMEV: Allgemeinmedizin an der Med Uni Graz

Vor zehn Jahren wurde an der Medizinischen Universität Graz das Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) gegründet – als eines der ersten eigenständigen Institute für Allgemeinmedizin in Österreich. Seit seiner Gründung hat sich das IAMEV als zentraler Akteur in der universitären Ausbildung etabliert und leistet einen bedeutenden Beitrag zur Weiterentwicklung der Allgemeinmedizin und Primärversorgung in Österreich. Das Institut setzt dabei Maßstäbe in der Verbindung von praxisorientierter Forschung und Lehre und trägt aktiv zur Stärkung der Allgemeinmedizin bei.


Forschung für die Praxis – Vernetzung als Erfolgsfaktor

Ein wesentliches Ziel des IAMEV war von Beginn an die enge Zusammenarbeit mit der hausärztlichen Praxis. So konnte ein interaktives Netzwerk mit über 200 Praxen und Primärversorgungseinrichtungen aufgebaut werden. „Forschung für und mit den Praxen ist unsere Devise, denn nur so können praxisnahe und anwendungsrelevante Studien durchgeführt werden“, betont Institutsleiterin Andrea Siebenhofer-Kroitzsch und ergänzt: „Mit mehr als 90 wissenschaftlichen Projekten und Publikationen konnten wir wichtige Erkenntnisse für die Gesundheitsversorgung liefern und diese in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnerinstitutionen erfolgreich umsetzen.“ Die Themen sind vielfältig. „Einmal kümmern wir uns um eine bessere Versorgung von Patient*innen mit Nierenerkrankungen oder Palliative Care, dann geht es um Maßnahmen gegen Bluthochdruck, und wir bieten Hausärzt*innen und Patient*innen verlässliche und leicht verständliche Gesundheitsinformationen für häufige Beratungsanlässe wie Schwindel und Rückenschmerz an“, so Siebenhofer-Kroitzsch.


Innovative Lehre – Zukunft der Allgemeinmedizin mitgestalten

Neben der Forschung hat sich das IAMEV als treibende Kraft in der Lehre etabliert und das allgemeinmedizinische Lehrangebot im Rahmen des Medizinstudiums kontinuierlich erweitert. Das Institut bietet Medizinstudierenden frühzeitig einen praxisnahen Zugang zur Allgemeinmedizin auch außerhalb des Krankenhauses, um somit direkte Einblicke in die Arbeit von Hausärzt*innen wie z. B. im Projekt „Landarztzukunft“ zu ermöglichen. „Die Allgemeinmedizin ist ein hochinteressantes Fach, das die gesamte Breite der Medizin umfasst und den Menschen als Ganzes im Blick hat“, meint Stephanie Poggenburg, ehemalige Mitarbeiterin am IAMEV, Hausärztin und Präsidentin der Steirischen Akademie für Allgemeinmedizin (STAFAM). „Die STAFAM und das Institut gehen Hand in Hand, wenn es darum geht, eine qualitativ hochwertige praxisorientierte Ausbildung anzubieten“, erklärt sie weiter. Das IAMEV hat bereits über 40 Abschlussarbeiten erfolgreich betreut und leistet somit auch einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Ausbildung von Studierenden. Mit dem Universitätslehrgang für Primary Health Care wurde im vergangenen Jahr ein weiteres zukunftsweisendes Ausbildungsformat ins Leben gerufen, um die Kompetenz in der Primärversorgung im Land weiter aufzubauen.


Bedeutung für das Gesundheitssystem

Das IAMEV hat sich in den letzten zehn Jahren als wichtiger Bestandteil der Medizinischen Universität Graz etabliert und spielt eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung der Primärversorgung in Österreich. „Mit seinen zahlreichen Aktivitäten hat das IAMEV maßgeblich dazu beigetragen, die dringend notwendige Stärkung der Primärversorgung voranzutreiben. Durch praxisnahe Forschung, innovative Ausbildungsprogramme und die enge Vernetzung mit der medizinischen Praxis leistet das Institut einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung einer zukunftsfähigen, wohnortnahen Gesundheitsversorgung“, betont Rektorin Andrea Kurz. „Auch in Zukunft kann das Institut auf die Unterstützung der Universität zählen, um die Weichen für eine nachhaltige Entwicklung im Bereich der Allgemeinmedizin und Primärversorgung zu stellen.“

Diese Bedeutung wird auch vom steirischen Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl unterstrichen: „Die Primärversorgung ist das Rückgrat der Gesundheitsversorgung und der Schlüssel zu einer effizienten Patient*innenstromlenkung, bei der jede*r Patient*in zum für ihn*sie besten Versorgungsangebot geleitet wird. Dank der exzellenten Arbeit des IAMEV konnten bereits viele innovative Konzepte in der Steiermark in die hausärztliche Praxis einfließen und die medizinische Versorgung nachhaltig verbessert werden. Das IAMEV spielt eine wichtige Rolle bei der Verknüpfung von Forschung und Praxis und liefert wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung von Versorgungsmodellen.“


Zukunftsperspektiven – Ausbau der Vernetzung und Forschung

Nach zehn erfolgreichen Jahren blickt das IAMEV weiter nach vorne. Zu den künftigen Schwerpunkten gehören der Ausbau des Forschungsnetzwerks, die Weiterentwicklung der Lehre sowie die Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit. „Um diese Ziele zu erreichen, braucht es weiterhin starke Partnerschaften und eine engagierte Unterstützung“, betont Andrea Siebenhofer-Kroitzsch. „Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit unseren Partner*innen die Zukunft der Allgemeinmedizin weiter mitzugestalten.“


Zehn Fragen an die Allgemeinmedizin – ein Rückblick auf zehn Jahre IAMEV

Anlässlich des Jubiläums beantwortet das IAMEV zehn zentrale Fragen zur Entwicklung der Allgemeinmedizin und stellt dabei bedeutende Projekte vor:


Wie hat das Institut zur Entwicklung der Primärversorgung beigetragen?

Das IAMEV sieht sich als Impulsgeber und Mitgestalter für eine starke Primärversorgung in Österreich. Mit seiner Institutsarbeit, dem jährlichen Primärversorgungskongress und dem neuen Universitätslehrgang „Primary Health Care“ setzt es diesen Anspruch konsequent um. Das Institut war maßgeblich an der Entwicklung und wissenschaftlichen Begleitung des österreichweiten Primärversorgungskonzepts beteiligt – mit evidenzbasierten Analysen und praxisnaher Forschung zur Umsetzung und Weiterentwicklung einer wohnortnahen, koordinierten Gesundheitsversorgung.


Warum wurde der Universitätslehrgang für Primary Health Care ins Leben gerufen?

Der Universitätslehrgang „Primary Health Care“ wurde eingerichtet, um Fachkräfte im Gesundheitswesen in der Planung, Umsetzung und Evaluierung von Maßnahmen in der Primärversorgung, Gesundheitsförderung und Prävention auszubilden. Teilnehmer*innen erwerben zusätzlich Kenntnisse in wissenschaftlichen Methoden und lernen, Gesundheitszustände und -entwicklungen in der Bevölkerung zu analysieren und zu bewerten.


Was sind die Ziele des Projekts „Allgemeinmedizin, die erste Wahl“ und „Landarztzukunft“?

Durch gezielte Förderprogramme, Ausbildungsangebote und Mentoring sollen im Projekt „Allgemeinmedizin, die erste Wahl“ mehr Mediziner*innen für eine Tätigkeit als Hausärztin*Hausarzt gewonnen werden, um die medizinische Versorgung sicherzustellen. Das Projekt „Landarztzukunft“ zielt darauf ab, die Allgemeinmedizin, insbesondere im ländlichen Raum, attraktiver zu gestalten.


Welche Rolle spielt das Erweiterungsstudium Allgemeinmedizin?

Das vom IAMEV neu entwickelte Erweiterungsstudium Allgemeinmedizin bietet Medizinstudierenden die Möglichkeit, vertiefte Kenntnisse und praktische Erfahrungen im Bereich der Allgemeinmedizin zu sammeln. Durch zusätzliche Lehrveranstaltungen und Praktika wird der hausärztliche Beruf nähergebracht und dessen Attraktivität gesteigert.


Wie bewahrt das Projekt „Gemeinsam gut entscheiden“ Patient*innen vor Überversorgung?

„Gemeinsam gut entscheiden“ veröffentlicht Empfehlungen von Ärzt*innen zu Behandlungen und Tests, die häufig zu oft angewendet werden, wenig oder keinen Nutzen bringen oder sogar schaden können. Diese Informationen ermöglichen es Patient*innen, gemeinsam mit ihrer Ärztin*ihrem Arzt eine gute Entscheidung für ihre Gesundheit zu treffen.


Was leistet das Projekt EVI für die Gesundheitskompetenz?

Das Projekt „Evidenzbasierte Gesundheitsinformationen“ (EVI) ist eine Initiative, die qualitativ hochwertige, wissenschaftlich fundierte und leicht verständliche Gesundheitsinformationen bereitstellt. EVI fördert die Nutzung solcher Gesundheitsinformationen, um der Bevölkerung fundierte und informierte Entscheidungen in Gesundheitsfragen zu ermöglichen.


Welche Rolle spielte das IAMEV während der COVID-Pandemie?

Während der COVID-19-Pandemie beschäftigte sich das IAMEV in Umfragen unter Hausärzt*innen und in der Bevölkerung mit der Einstellung zur COVID-Pandemie und stellte wissenschaftliche Analysen bereit. Zusätzlich war Andrea Siebenhofer-Kroitzsch Mitglied in der Corona-Ampelkommission.


Wie sieht die Vernetzung mit anderen nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen aus?

Das IAMEV kooperiert mit zahlreichen nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen (z. B. Goethe Universität Frankfurt, Austrian Institute for Health Technology Assessment [AIHTA], Oslo Metropolitan University, Cochrane Collaboration, Choosing Wisely Canada) und Partner*innen (z. B. Gesundheitsfonds Steiermark, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen [IQWiG] Deutschland, Stiftung Gesundheitswissen Deutschland, Gesundheit Österreich GmbH, Österreichische Gesundheitskasse), um die Allgemeinmedizin wissenschaftlich weiterzuentwickeln. Durch gemeinsame Forschungsprojekte, Publikationen und den Austausch unter Wissenschafter*innen werden ein kontinuierlicher Wissenstransfer und eine Vernetzung auf globaler Ebene gefördert.


Wie trägt das Institut zur Weiterentwicklung der Lehre bei?

Das allgemeinmedizinische Lehrangebot im Rahmen des Medizinstudiums wurde in den letzten zehn Jahren kontinuierlich erweitert. Das IAMEV entwickelt innovative Lehrformate und praxisnahe Ausbildungsstrukturen, die Studierende frühzeitig in die Primärversorgung einbinden. Dazu gehören Lehrordinationen, in denen Studierende direkte Einblicke in die hausärztliche Praxis erhalten, sowie die Betreuung von Abschlussarbeiten im Bereich der Allgemeinmedizin.


Welche Zukunftsprojekte sind geplant?

Der Ausbau des Forschungsnetzwerks, verstärkte internationale Kooperationen und weitere Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Allgemeinmedizin. Dazu zählen unter anderem neue Forschungsprojekte zur digitalen Unterstützung in der hausärztlichen Versorgung, die Weiterentwicklung interprofessioneller Lehrangebote sowie verstärkte Initiativen zur Nachwuchsförderung, um mehr junge Mediziner*innen für die Allgemeinmedizin zu begeistern.

Kontakt und weitere Informationen

Univ.-Prof.in Dr.in
Andrea Siebenhofer-Kroitzsch MBA
Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung
Medizinische Universität Graz
T: +43 316 385 73558