Archaeen als Schlüsselakteure für Gesundheit und personalisierte Medizin - Foto:hardvicore/AdobeStock.com

Hörgang-Podcast mit Christine Moissl-Eichinger

Das Mikrobiom des Menschen ist ein faszinierendes, komplexes Ökosystem, weit mehr als nur eine Ansammlung von Bakterien. Eine bislang unterschätzte, aber entscheidende Rolle spielen dabei die Archaeen – Mikroorganismen, die lange Zeit im Schatten der Forschung standen. Christine Moissl-Eichinger, Leiterin des Schwerpunkts „Interaktive Mikrobiomforschung“ an der Medizinischen Universität Graz, und ihr Team haben wichtige Entdeckungen gemacht, die neue Perspektiven für die Mikrobiomforschung und die personalisierte Medizin eröffnen.


Archaeen – die unterschätzten Mitbewohner des Menschen


Archaeen sind einzellige Mikroorganismen, die ursprünglich als sogenannte Extremophile in vulkanischen Biotopen oder salzigen Seen bekannt waren. Neueste Forschungen zeigen jedoch, dass sie auch ein fester Bestandteil des menschlichen Körpers sind – insbesondere der Haut und des Darms. Das Team um Christine Moissl-Eichinger konnte zeigen, dass vor allem methanogene Archaeen, die Methan produzieren, eine zentrale Rolle im Darmmikrobiom spielen. Sie verwerten Wasserstoff, ein Nebenprodukt bakterieller Fermentation, und steigern dadurch die Effizienz der mikrobiellen Verdauungsprozesse. Damit tragen sie wesentlich zur Stabilität des mikrobiellen Gleichgewichts im Darm bei.


Entdeckung einer neuen Archaeen-Art aus dem menschlichen Darm


Ein wissenschaftlicher Meilenstein ist die Kultivierung einer bislang unbekannten Art: Methanobrevibacter intestini. Dieser neu entdeckte Vertreter ist nach Methanobrevibacter smithii die zweithäufigste Archaeen-Art im menschlichen Darm.

Da sie nun erstmals erfolgreich im Labor kultiviert werden konnte, eröffnet sich die Möglichkeit, ihre biochemischen Eigenschaften und ihren Einfluss auf Stoffwechselprozesse und Gesundheit detailliert zu untersuchen. Diese Entdeckung schafft die Grundlage für ein besseres Verständnis der funktionellen Bedeutung von Archaeen im menschlichen Körper.


Archaeen als Indikatoren für Gesundheit und Krankheit


Forschungen zeigen, dass Archaeen im Allgemeinen mit einem gesunden Mikrobiom und einem niedrigeren Body-Mass-Index assoziiert sind. Bei bestimmten Erkrankungen, etwa entzündlichen Darmerkrankungen, treten sie dagegen seltener auf. Diese Beobachtungen machen Archaeen zu potenziellen Biomarkern für die Stabilität des Mikrobioms. Gleichzeitig zeigen Studien, dass lokal erhöhte Archaeen-Konzentrationen z. B. bei Zahnfleischerkrankungen und Darmkrebs vorkommen können. Dort scheinen sie die Aktivität bestimmter krankheitsfördernder Bakterien zu unterstützen. Archaeen könnten somit sowohl Indikatoren als auch aktive Mitspieler im Krankheitsgeschehen sein – ein spannendes Feld für zukünftige Forschung.


Kommunikation über Vesikel – ein neues Forschungsfeld


Eine weitere Erkenntnis ist die Entdeckung, dass Archaeen über Vesikel – kleine Bläschen, die Signalmoleküle transportieren – mit ihrer Umgebung kommunizieren. Diese Vesikel enthalten Proteine, Lipide und Aminosäuren, die möglicherweise auch auf entfernte Organe wie das Gehirn wirken können. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Forschungsansätze für die medizinische Anwendung, etwa als Träger für Impfstoffe oder therapeutische Substanzen.


Zukunftsvision: Manipulation des Mikrobioms durch Archaeen


Gefördert durch einen ERC Advanced Grant, arbeitet das Team um Christine Moissl-Eichinger im Projekt ARCH-METH daran, die zentrale Rolle der Archaeen im Mikrobiom besser zu verstehen und gezielt zu nutzen. Die Vision: personalisierte Therapien, die auf der gezielten Modulation von Archaeen basieren, um Gesundheit zu fördern, Stoffwechselprozesse zu steuern und Krankheitsrisiken zu senken. Damit rücken Archaeen in den Fokus einer neuen Ära der präzisionsmedizinischen Mikrobiomtherapie.


Forschung im Weltraum – Mikrobiom auf der ISS


Neben der humanmedizinischen Forschung untersuchte das Team auch das Mikrobiom auf der Internationalen Raumstation. Die Analysen zeigen, dass die mikrobiellen Gemeinschaften dort überwiegend von der menschlichen Haut geprägt sind und sich eher an eine feuchtere Umgebung anpassen – ohne das Auftreten von besonders gefährlichen Krankheitserregern. Diese Erkenntnisse liefern wertvolle Grundlagen für die Gesundheitsvorsorge von Astronaut*innen bei Langzeitmissionen, etwa zum Mars.


Hörgang-Podcast mit Christine Moissl-Eichinger


In unserem Kooperationspodcast mit Springer Nature hat sich Martin Krenek-Burger mit Christine Moissl-Eichinger über die Rolle des Mikrobioms sowie ihr Forschungsprojekt und die Relevanz des ERC Advanced Grant für die Medizinische Universität Graz unterhalten. Den gesamten Podcast finden Sie hier: LINK.

Weitere Informationen

Univ.-Prof.in Dr.in habil.rer.nat.
Christine Moissl-Eichinger 
Diagnostik und Forschungsinstitut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin
Medizinische Universität Graz
T: +43 316 385 73770