Von Adipositas (Fettleibigkeit) spricht man generell ab einem Körpermasseindex von 30 kg/m², wobei dieses starke Übergewicht und das dadurch angesammelte Körperfett mit schweren Gesundheitsfolgen einhergehen. Adipositas erhöht u.a. das Risiko einer koronaren Herzerkrankung: die stärksten Prädiktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Fettleibigkeit und mit Fettleibigkeit assoziiertem metabolischem Syndrom sind ein niedriger Gehalt an hochdichten Lipoproteinen (HDL) und erhöhte triglyceridreiche Lipoproteine (TRGLs). Diese beschreiben einen riskanten Gesundheitszustand, der häufig als "Atherogene Dyslipidämie“ bezeichnet wird, also eine Fettstoffwechselstörung, die zu einer Verkaltung der Arterien führt. Eine interdisziplinäre Studie an der Med Uni Graz nahm die Auswirkungen von Adipositas auf den HDL-Stoffwechsel genauer unter die Lupe, die Ergebnisse wurden kürzlich im Journal „Biomedicines“ veröffentlicht.
Lebensstil kann Übergewicht fördern: Störung des Energiestoffwechsels als Folge
Viele haben sich für die Fastenzeit gute Vorsätze vorgenommen. Dahinter steckt oft auch der Wunsch, überflüssige Kilos loszuwerden und ein bisschen mehr Sport in den Alltag zu bringen. Dies wäre ein guter Ansatz im Kampf gegen Adipositas, denn in Österreich sind rund 15% der Frauen und 18% der Männer betroffen. Neben krankheitsbedingten Ursachen ist es vor allem der Lebensstil aus überwiegend sitzender Tätigkeit, passiver Freizeitgestaltung und einem ständigen Nahrungsmittelüberangebot, der Adipositas begünstigt. Es ist bekannt, dass verschiedene Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettlebererkrankungen, Krebs und Typ-2-Diabetes eng mit Fettleibigkeit verbunden sind. „Bei adipösen Personen werden reduzierte Plasmaspiegel von HDL-C und erhöhte Triglyceridspiegel häufig zusammen mit einem Ungleichgewicht von Adipokinen, das sind endokrin aktive Proteine aus dem Fettgewebe, wie Leptin und Adiponectin, beobachtet“, erklärt Gunther Marsche vom Otto Loewi Forschungszentrum der Med Uni Graz die dahinterliegenden Faktoren. Beide Botenstoffe werden vom Fettgewebe produziert und spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation des Energiestoffwechsels. „Eine verminderte HDL-Funktion kann bei einer Vielzahl von Krankheiten eine Rolle spielen, da HDL-Partikel wichtige entzündungshemmende, antioxidative und antithrombotische Aktivitäten haben und den umgekehrten Cholesterintransport fördern“, ergänzt Sandra Holasek, ebenfalls vom Otto Loewi Forschungszentrum.
Metabolismus-Studie: Verminderte HDL-Funktion birgt gesundheitliche Risiken
In einer Querschnittsstudie untersuchte das Forschungsteam, ob Fettleibigkeit den HDL-Metabolismus, die Zusammensetzung und Verteilung der HDL Unterklassen sowie die HDL-Funktionstüchtigkeit beeinflusst. „Wir bestimmten die HDL-Zusammensetzung, die HDL-Subklassenverteilung, Parameter der HDL-Funktion und die Aktivitäten der wichtigsten Enzyme, die am Lipoproteinumbau beteiligt sind, einschließlich der Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase (LCAT) und des Cholesterylester-Transferproteins (CETP)“, beschreibt der Pharmakologe Gunther Marsche die Studie. Dafür wurden junge normalgewichtige, übergewichtige und adipöse Frauen untersucht und verglichen. „Adipositas war mit auffälligen Veränderungen der LCAT- und CETP-Aktivitäten und einer veränderten HDL-Zusammensetzung verbunden, wie z. B. einem verminderten Apolipoprotein A-I-, Cholesterin- und Phospholipid-Gehalt, während der pro-inflammatorische HDL-Serum-Amyloid a-Gehalt erhöht war,“ ergänzt Sandra Holasek. Das Forschungsteam konnte zudem eine deutliche Verschiebung hin zu kleineren HDL-Subklassen bei Adipositas, verbunden mit einer geringeren antioxidativen Kapazität des Serums beobachten. Eine interessante Beoabachtung war, dass die meisten dieser Veränderungen nur bei adipösen Frauen, nicht aber bei übergewichtigen Frauen zu beobachten waren.
Im Alltag entgegenwirken: Bewegung steigern und Ernährung anpassen
Adipositas beeinflusst also deutlich den HDL-Stoffwechsel, die Zusammensetzung und die Verteilung der Subklassen in Verbindung mit Veränderungen in der Leber und im Fettgewebe. Eine HDL-Dysfunktion kann zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko bei Adipositas beitragen, so das Fazit der Autor*innen. Betroffenen raten sie, in kleinen Schritten zu einer gesünderen Alltagsroutine zu finden, um diesem gesundheitsschädigenden Prozess entgegenzuwirken. „Konkret geht es vor allem darum, in Bewegung zu bleiben und sich täglich Möglichkeiten dazu suchen, wie z. B. die Treppe statt dem Lift zu nehmen, eine Station früher aus der Straßenbahn auszusteigen oder statt mit dem Auto mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren“, rät die Ernährungsexpertin. Weiters sei eine Ernährung mit hohem Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln und damit hohem Ballaststoffanteil mit gutem Sättigungseffekt empfehlenswert. Von spätem Abendessen, das schwer im Magen liegt, ist abzuraten, denn: „eine gesunde Schlafroutine mit genügend Schlaf ist ebenfalls wichtig“.
Weitere Informationen und Kontakt:
Assoz.-Prof. PD Mag. Dr. Gunther Marsche
Medizinische Universität Graz
Otto Loewi Forschungszentrum
Lehrstuhl für Pharmakologie
+43 316 385 74128
gunther.marsche(at)medunigraz.at
Assoz.-Prof.in PDin Mag.a Dr.in Sandra Holasek
Medizinische Universität Graz
Otto Loewi Forschungszentrum
Lehrstuhl für Immunologie und Pathophysiologie
+43 316 385 71153
sandra.holasek@medunigraz.at
Steckbrief: Gunther Marsche
Gunther Marsche leitet die Forschungseinheit "Metabolische und vaskuläre Pharmakologie" am Otto-Loewi-Forschungszentrum. Seine Forschung konzentriert sich auf die pathophysiologische Rolle von Lipoproteinen bei Entzündungs- und Stoffwechselerkrankungen. Lipoproteine interagieren mit Immunzellen, Makrophagen und Endothelzellen - Schlüsselakteure des angeborenen und adaptiven Immunsystems.
Steckbrief: Sandra Holasek
Sandra Holasek leitet die Forschungseinheit "Nutrition and Metabolism" am Otto Loewi Forschungszentrum. Im Fokus stehen das nutritive Assessment und Methoden zur Standardisierung von Ernährungsinterventionen, Messung der Körperzusammensetzung, Nährstoffaufnahme und Analyse relevanter Metabolite (Schwerpunkt Adipozytenbiologie). Ein weiterer Fokus ist der Einfluss von Nahrungsqualität und Darmmikrobiom auf das Immunsystem in Zusammenhang mit Essstörungen, Lifestyle, Körperfett und Lebensalter.